Dank ihrer weniger ausgeprägten Tech-Ängste profiliert sich das Spanien als Blockchain-Cluster. Selbst das Traditionskaufhaus El Corte Inglés hat jetzt einen eigenen Währungsnamen registriert: Bitcor.
Daniel Santos träumte schon lange vom großen Geld. Sein polemischer Youtube-Kanal Mr. Santos hat fast 300.000 Anhänger aus der ganzen Welt. "Berühmt" wurde der junge Spanier vor allem durch seine Kenntnisse in Sachen Kryptowährungen, aber auch, weil er im vergangenen Jahr auf einen erneuten Wahlsieg von Donald Trump gewettet hatte. Die Sache ging bekanntermaßen anders aus. Was Santos nicht davon abhält, sein vor vier Jahren in Mexiko gegründetes und mit virtueller Währung finanziertes soziales Krypto-Netzwerk namens Woonkly groß zu machen.
Dafür ist er aus den USA zurückgekommen nach Spanien, wo rund 1200 Firmen bereits in der Welt der alternativen Währungen arbeiten. Santos hat sich gerade mit Crypto Plaza zusammengetan - ein bereits vor zwei Jahren entstandener Business-Club für Firmen in Madrid rund um virtuelle Währungen und Blockchain-Technologie: eine öffentliche Datenbank für Geldtransaktionen. Ideal, um Vertrauen in die inzwischen rund 4000 bestehenden Kryptowährungen zu schaffen.
Spanien hat bei Blockchain die Nase vorn
Spanien ist eines der Länder, das dem digitalen Bezahlen und auch den digitalen Währungen schon immer sehr offen gegenüberstand. Ein Beispiel: Das Traditionskaufhaus El Corte Inglés hat gerade die Marke Bitcor registrieren lassen. Für den Fall, so verlautet aus dem nach Umsatz größten Warenhaus Europas, dass virtuelle Währungen auch für sie einmal interessant sein könnten. Der Konzern gilt als ein Pionier in Europa mit einer eigenen Zahlkarte und Treuepunkten, den Cortisoles.
Blockchain-Experte Javier Rivas glaubt, dass die Spanier damit einem US-amerikanischen Trend folgen. Konkurrent Walmart hat bereits 2019 die WalmartCoin registriert, die an den Dollar gebunden ist und Discounts anbietet. El Corte Inglés sah sich von Anfang auch als Finanzdienstleister und bietet schon lange nicht nur Versicherungen, sondern auch Konsumentenkredite an. 11,5 Millionen Menschen haben die Kreditkarte des Kaufhauses, mit der im Fall der Fälle dann auch irgendwann mit Bitcor bezahlt werden könnte.
Banken investieren in Test-Plattformen
Spanischen Krypto-Fans kommt zugute, dass das Land über eines der schnellsten und dichtesten Breitband-Netze in Europa verfügt und Unternehmen Blockchain-Applikationen seit einem Jahr auf einer nationalen sogenannten Sandbox testen können. Einige Banken wie Caixabank haben sogar in eine eigene Test-Plattform investiert, weil sie in dem Markt, der irgendwann traditionelle Banken überflüssig machen könnte, nicht den Anschluss verlieren wollen. Der von Elon Musk jüngst kritisierte hohe Energieverbrauch beim Erschaffen (Mining) der Kryptowährungen steht dabei kaum zur Diskussion in Spanien.
Die Linksregierung unter Pedro Sánchez macht mit bei dem Boom trotz ihrer Anstrengungen des ökologischen Umbaus der Wirtschaft. Von den 140 Milliarden Euro an Corona-Hilfen aus Brüssel soll ein Bärenanteil in neue Technologien fließen, auch in Blockchain.
Nach Daten von Coin ATM belegt das Land mit 110 Bitcoin-Geldautomaten weltweit den fünften Platz, nur die USA mit 9046, Kanada mit 921, Großbritannien mit 290 und Österreich mit 150 kommen auf mehr. Entsprechend gibt es in der spanischen Hauptstadt Madrid auch Fintech-Cluster namens Madrid Capital Fintech. Der Madrider Tourismussektor arbeitet daran, eine eigene Währung zu lancieren, wie es die Kette arabischer Bäder Hammam Al Ándalus gerade vorgemacht hat.
Diese brauchte 24 Millionen Euro für den Ausbau ihres Angebots und lancierte den von der spanischen Börsenaufsicht CNMV genehmigten Helysia-Token (siehe Artikelbild), der beim Launch paritätisch mit dem Euro war, aber mit einem Rabatt von 10 Prozent angeboten wurde. Auf der Webseite können Interessenten direkt einsteigen als Investoren, was eine völlig neue Art der Kundenbindung ist.
Spanien steht in den Startlöchern
Für den Blockchain-Experten Javier Rivas könnten virtuelle Währungen langfristig sehr interessant sein für Warenhäuser, die die Währung wie El Corte Inglés an die bestehende Kundenkarte binden und auf diese Weise schneller online expandieren könnten: "Das wäre dann aber eher smartes Geld als eine neue Währung", sagt der Dozent der EAE Business School in Madrid.
Etwas ähnliches hat bereits die andalusische Kleinstadt Lebrija Anfang des Jahres gemacht, als der dortige Bürgermeister Pandemie-Hilfen an Familien an den neu geschaffenen digitalen Elio knüpfte. An der Bezahl-App konnten nur heimische Unternehmen und Familien teilnehmen, womit die begünstigten Familien die lokale Wirtschaft stützten, weil der Elio nirgendwo anders akzeptiert wurde.
Auch wenn die Zahl der Krypto-Zweifler kleiner geworden ist und auch Technologien rund um die sogenannte dezentrale Finanzwirtschaft immer mehr Beachtung finden, bleiben Menschen wie der YouTuber Daniel Santos dennoch vielen suspekt.
"Ich will die Welt positiv verändern", verspricht er und kündigt auf einer Veranstaltung in Madrids Crypto-Plaza Währungen gegen die Inflation und eine eigene Blockchain-Datenbank an. Seine Neobank Saurus soll Investoren helfen, die Gewinne aus Bitcoins & Co. auch zu materialisieren und mit Kryptowährungen zu bezahlen, indem sie klassische Banken und deren aufwendige, von den Zentralbanken auferlegte, Kontrollsysteme umgehen könnten. Das alles macht vielen Angst. Aber während andere noch zweifeln, will Spanien den Zug nicht verpassen.
Source: https://www.dw.com/de/spaniens-flirt-mit-dem-virtuellen-geld/a-57577573